Einem öffentlichen Auftraggeber steht es gemäß § 24 BVergG frei, vor Einleitung eines Vergabeverfahrens eine vorbereitende Markterkundung durchzuführen und die dabei eingeholten Informationen für dessen Planung und Durchführung zu verwenden. Eine solche vorherige Erkundung des Marktes muss allerdings den Grundsätzen des Vergaberechts entsprechen. Erst kürzlich musste sich der VwGH mit dieser Problematik genauer auseinandersetzen. Im Konkreten prüfte der Gerichtshof in einem Revisionsverfahren eine Markterkundung auf ihre Übereinstimmung mit dem vergaberechtlichen Transparenzgebot.
Die Revisionswerberin leitete im August 2019 ein offenes Verfahren im Oberschwellenbereich zur Vergabe eines Dienstleistungsauftrages betreffend die Durchführung von Sicherheitsdienstleistungen in diversen Krankenanstalten ein. Im Vorfeld dieses Vergabeverfahrens führte die Revisionswerberin eine Markterkundung in Form von Marksondierungsgesprächen mit einigen ausgesuchten Unternehmen durch. Dabei wurden diesen Unternehmen umfangreiche Unterlagen und Informationen zu dem beabsichtigten Beschaffungsvorhaben zur Verfügung gestellt. In weiterer Folge wurde dann das offene Verfahren eingeleitet. Ein Interessent brachte einen Antrag auf Nichtigerklärung der Ausschreibungsunterlagen ein. Er war der Ansicht, dass aufgrund der Detailliertheit der Informationen, die in der Markterkundung zur Verfügung gestellt wurden, diesen teilnehmen Unternehmen ein Wettbewerbsvorteil verschafft wurde.
Diesem Antrag gab das Verwaltungsgericht Wien aufgrund folgender Überlegungen statt. Im März 2019 hat die Revisionswerberin europaweit eine Vorinformation über das geplante Vorhaben veröffentlicht. Darin wurde auch die durchgeführte Markterkundung angekündigt und aufgefordert, sich bei Interesse bei der Revisionswerberin zu melden. Jenen Unternehmen, die ihr Interesse kundtaten, übermittelte die Revisionswerberin ein detailliertes Konzept über die geplante Ausschreibung, die bereits Informationen zu den vorgesehenen Zuschlags- und Eignungskriterien enthielt. Eine allgemeine Zugänglichmachung dieser Informationen erfolgte jedoch nicht. Zudem hat die Revisionswerberin darauffolgend mit einigen Unternehmen genauere Marktsondierungsgespräche durchgeführt. Diese Gespräche wurden zwar protokolliert, aber wiederum nicht allgemein zugänglich gemacht. Somit konnten die anderen Marktteilnehmer nicht in Erfahrung bringen, was im Rahmen dieser Gespräche insbesondere über die Zuschlags- und Eignungskriterien besprochen wurde. Das Verwaltungsgericht Wien hielt dazu fest, dass aus § 24 BVergG keine Einschränkung dahingehend zu entnehmen ist, welche Unterlagen für eine Markterkundung zu verwenden sind. Allerdings war es den Interessenten, mit denen keine Sondierungsgespräche durchgeführt wurden, mangels allgemeiner Zugänglichmachung unmöglich, allfällige Verdachtsmomente im Zuge des Vergaberechtschutzes effektiv nachprüfen zu lassen. Ohne Offenlegung der Protokolle war es somit nicht nachvollziehbar, ob der Grundsatz der Gleichbehandlung eingehalten wurde oder einzelne Bieter bevorzugt wurden. Zudem wurde dadurch auch die Transparenz auf erhebliche Weise herabgesetzt. Diese hätte alleine durch die Zugänglichmachung der Protokolle in anonymisierter und um etwaige Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse reduzierter Form vollständig hergestellt werden können.
Gegen dieses Erkenntnis wurde die Revision vom Auftraggeber eingebracht. Der VwGH stellte unter anderem klar, dass es vergaberechtlich zulässig ist, potenzielle Bieter im Rahmen einer Markterkundung zu konsultieren und Ideen für das geplante Vorhaben zu sammeln. In diesem Zusammenhang ist es auch erlaubt, diesen Unternehmen bereits Informationen über das spätere Vergabeverfahren offenzulegen (vgl ErlRV 69 BlgNR XXVI. NR 59). Aufgrund des Transparenzgebotes ist es jedoch erforderlich, offenzulegen, welche durch die Markterkundung erlangten Informationen in die Planung und Durchführung des Vergabeverfahrens eingeflossen sind und woher diese Informationen stammen. Nur so können andere Marktteilnehmer überprüfen, ob die Gleichbehandlung der Bieter gewahrt wurde und gegebenenfalls begründete Rechtschutzanträge stellen. Wegen dieser unterlassenen Offenlegung des im Rahmen der Markterkundung erfolgten Informationsaustausches liegt im vorliegenden Einzelfall eine Verletzung des § 24 BVergG vor. Insofern reicht es nicht aus, dass die Revisionswerberin die aus ihrer Sicht relevanten Informationen in der Ausschreibung verwertet. Vielmehr müssen alle die Markterkundung betreffenden und das Vergabeverfahren beeinflussenden Informationsflüsse vom Auftraggeber an die beteiligten Unternehmen und umgekehrt offengelegt werden. Aufgrund dieser Überlegungen hat der VwGH die Revision als unbegründet abgewiesen.
Anmerkungen der AutorInnen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat erstmals die rechtlichen Rahmenbedingungen einer Markterkundung behandelt und ist dabei für die vorliegenden AutorInnen zu einem bemerkenswerten Ergebnis gekommen. Der VwGH erachtet nicht die äußerst umfassenden und detaillierten Informationen, die durch die Markterkundung gegenüber den Interessenten offengelegt wurden, für problematisch. Vielmehr fordert der VwGH im Ergebnis sogar noch viel detailliertere Informationen, die nach den Vorgaben des Vergaberechts offengelegt werden müssen. Unseres Erachtens steht diese Entscheidung in mehrfacher Hinsicht in einem Spannungsverhältnis zu vergaberechtlichen Vorschriften. Im vorliegenden Fall wurde offensichtlich eine Rechtswidrigkeit festgestellt, ohne dass auch nur die geringste rechtliche Beschwer des antragstellenden Bieters vorlag. Welche Relevanz hat eine rechtswidrige Markterkundung, wenn sich diese in keiner Weise auf eine Rechtswidrigkeit in der Ausschreibung niederschlägt? Wenn der vermeintlich beschwerte Bieter eines Vergabeverfahrens nicht benennen kann, durch welche Festlegung in den Ausschreibungsunterlagen er sich für beschwert erachtet, warum wird dann die Ausschreibung für nichtig erklärt? Dies führt zu einer Nichtigerklärung einer Ausschreibung selbst dann, wenn der antragstellende Bieter keinerlei Nachteile bei einer Verfahrensbeteiligung hat. In einem solchen Fall muss die Nichtigerklärung der Ausschreibung wohl als überschießend betrachtet werden, weil der Antragsteller kein rechtliches Interesse am Nachprüfungsantrag hat. In einem solchen Fall wäre aber nach ständiger Rechtsprechung des VwGH bis dato ein Nachprüfungsantrag immer unzulässig.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die äußerst umfassende Offenlegung der vom VwGH geforderten Informationen auch zu einer Publizität jener Unternehmer führt, die sich an der Markterkundung beteiligt haben. Eine solche Offenlegung wäre zumindest in einem Vergabeverfahren vergaberechtlich unzulässig, weil öffentliche Auftraggeber die Bieter streng geheim zu halten haben, um Absprachen zu vermeiden (siehe §§ 27 und 114 Abs 10 BVergG). Warum soll diese Geheimhaltungsverpflichtung für die Markterkundung nicht gelten? Jeder Interessent kann mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit annehmen, dass die Interessenten sich auch am Vergabeverfahren beteiligen werden. Damit erhalten diese Interessenten alle Informationen, die für eine illegale Absprache erforderlich sind. Erschwerend kommt hinzu, dass die Interessenten sogar vor Einleitung des Vergabeverfahrens wechselseitig Kenntnis voneinander erhalten. Es bleibt daher noch deutlich mehr Zeit, um eine Absprache anzubahnen als das in einem laufenden Vergabeverfahren der Fall ist.
Ferner ist zu berücksichtigen, dass die im Ergebnis vom VwGH geforderte Offenlegung geradezu zwangsläufig auch zu einer Verletzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen führt, was sowohl faktisch als auch vergaberechtlich (siehe insbesondere § 27 Abs 4 BVergG) äußert problematisch ist. In der Praxis ist eine Markterkundung meist nur dann erforderlich, wenn der Auftraggeber keine ausreichenden Informationen über die Marktteilnehmer hat. In den allermeisten Fällen wird es sich dabei um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse handeln, weil die erforderlichen Informationen nicht öffentlich zugänglich sind. Wenn also solche sensiblen Informationen in der Markterkundung erörtert werden, müssen diese nach dem vorliegenden Erkenntnis des VwGH ganz offensichtlich vor Einleitung des Vergabeverfahrens wechselseitig offengelegt werden. Sofern Interessenten aufgrund dieser Rechtsprechung künftig überhaupt noch an Markterkundungen teilnehmen werden, werden diese bei Erörterung solcher Informationen gegenüber dem Auftraggeber wohl deutlich zurückhaltender sein, weil diese riskieren, dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse offengelegt werden müssen.
Im Ergebnis bleibt für die Beschaffungspraxis aus Sicht sowohl der Auftraggeber als auch der Bieter zu hoffen, dass bei künftigen Anlassfällen der VwGH seine vorliegende Rechtsprechung unter Berücksichtigung der obenstehenden Argumente weiter schärft. Dies erscheint unseres Erachtens dringend erforderlich, um dem wichtigen Instrument der Markterkundung nicht jeden praktischen Anwendungsbereich zu nehmen.